
5.8.2019 – Seetag 3, Liverpool
War das kalt auf Deck, als ich wenige Sekunden vor dem Abräumen meinen gewohnten Morgenkaffee ergattern konnte.
Aber ein wenig Sonne war zu erahnen – das konnte werden …
An Steuerbordseite Land. England. An Backbord Land. Nordirland. Diese Begleitung fast über den ganzen Tag. Während des Frühstücks passierten wir die Einfahrt nach Belfast. Eine Stena rein, eine andere Stena raus …
Nach dem Frühstück starteten wir die Suche nach einem sonnigen und fast windstillen Flecken. Schwierig, schwierig. Schließlich fanden wir ihn auf Deck 6 neben dem Kids Club. Bis das Schiff den Kurs leicht änderte und die Sonne nichts mehr mit uns zu tun haben wollte. Wir hatten einen Schatten … Machte nix – war sogar gut. Denn es war Anlass, auf die Uhr zu schauen mit der Erkenntnis: Zeit für den Poolbrunch. Dem Ziel angemessen gab es walisischen Lobscouse und den Rest des geadelten (Looooord Patrick) Haggis vom Vortag.
Sah das nicht lecker aus??? Lägga Häggis … Zu der Zeit als wir die Isle of Man passierten.
Das Mittagessen musste nach dem Brunch ausfallen.
Und schon wieder war Sonnenbaden angesagt. In den Sitzschaukeln am Rande des Pooldecks. Schön ruhig, sonnig und windstill. Bis das winzige Stück Kuchen, verstärkt durch Kaffee, rief. So´n Stress … davon mussten wir uns ausruhen. Auf Deck 6 in der Sonne. Auf einmal erschienen in der Ferne komische, im Meer senkrecht stehende Stäbe.
Als wir näher kamen, entpuppten sie sich als Teile eines Windparks. Die AIDAaura wurde langsamer. Kurz vor 17 Uhr kam der Lotse an Bord und wir glitten langsam in die Mündung des Mersey.
Ein Grund, ihn von oben zu betrachten. Dort, auf Deck 10, wurden zwei Dinge ohne Bezahlung angeboten: Snacks in Form von Bratwürsten und zur weiteren Einstimmung auf Liverpool ein Beatles-Song nach dem anderen. Nach kurzer Zeit konnten wir das Begrüßungskomitee von Liverpool erkennen:
Die drei Grazien sagten „Hello guests!“. Nach und nach zeigten sich weitere spektakuläre Neubauten wie z.B. das Liverpool Museum.
Was wurde alles in den letzten sieben Jahren seit unserem Erstanlauf verändert? Wir sollten es am Abend und am nächsten Tag sehen.
Auf der Steuerbordseite führten die durch Reihenhäuser begrenzten Straßen fast rechtwinkelig zum Fluss.
Auf der anderen Seite zogen alte, vorwiegend hölzerne Kais an uns vorüber. Hier wartet noch viel Arbeit auf die Stadtplanung. Ein bisschen weiter standen neue, in ihrer Art unterschiedliche Geschäftsbauten einträchtig neben prächtigen älteren Bauten, bei denen die drei Grazien beeindruckten.
Als erste Grazie stach das Royal Liver Building ins Auge. War das hoch – ganze 90 m mit ebenfalls 13 Etagen. Es diente als Hauptsitz der Royal Liver Assurance, eine Versicherungsgesellschaft, die Ende des 19. Jahrhunderts aus einer Sterbeversicherungsgesellschaft entstand. An dem Bau fehlte nicht viel: barocke Elemente, byzantinische Elemente, kleine Türmchen und Kuppeln und zwei große kupferne Vögel, die Liver Birds – also doch irgendwie abgekupfert …
In der Mitte verbarg sich die Grazie Nummer zwei: das Cunard Building. Es könnte als Palazzo auch irgendwo in Italien stehen – zwischen 1914 und 1917 erbaut im Renaissance-Stil mit griechischen Elementen. Bis 1960 war in diesem Palast die Cunard Linie tätig, dann wurde es an einen Pensionsfonds verkauft und von diesem an diverse öffentliche und private Institutionen vermietet.
Last but not least das Port of Liverpool Building. 1907 als erstes großes Bauwerk an der neuen Uferpromenade erbaut; 13 Stockwerke hoch; Neobarock mit allen Auswirkungen, ehemals Hauptquartier der Schifffahrtsbehörde mit dem Spruch „Sie, die mit Schiffen das Meer befuhren und Handel trieben auf den großen Wassern, die dort die Werke des Herrn bestaunten, seine Wunder in der Tiefe des Meeres“ auf dem Fußboden in der Eingangshalle (natürlich in English und nicht von den Beatles, sondern Psalm 107). In den letzten Jahren erfolgte das, was mehr und mehr mit repräsentativen Bauten geschieht: Umwandlung in ein Bürogebäude.
So genug geguckt, da wir zwischenzeitlich angelegt hatten. Wir freuten uns darauf, Teile der Stadt am Abend zu erobern. Aber ohne Stärkung ging es nicht. „USA“ im Marktrestaurant gab uns alles; „Indien“ im Parallelrestaurant konnte aus Zeit- und Völlegründen nicht besucht werden.
Vom Schiff bis zu den drei Grazien – hier die erste mit einem englischen Markenzeichen im Vordergrund –
und den verschiedenen Denkmälern dauerte es nur wenige Minuten. Ein Denkmal fiel besonders auf – das vom ältesten Sohn von Vicci, nämlich König Edward VII, stolz verkrampft auf einem Ross sitzend.
Dass wir kurz darauf von einem vor Grazie 3 stehenden, noch relativ unbekannten Quartett begrüßt wurden,
wussten wir natürlich zu schätzen. Wir beschlossen, den Vieren am nächsten Tag nochmals unsere Aufwartung zu machen. Unser Weg führte uns dann in die Albert Docks.
Seinerzeit benötigte man 23,5 Millionen Backsteine und 47.000 t Beton zum Bau der Docks – ein eigens dafür entwickelter Steinbruch in Schottland musste herhalten. Mit dem ursprünglichen Bau galten die Docks als das modernste Importlager der Welt. Aber was groß war, war auch vergänglich. So geschah es, als Mitte des 20. Jahrhunderts die Anlagen nicht mehr für die vermehrt auf den Markt gekommenen Containerschiffe mithalten konnten. Anstatt die Docks zu entsorgen, wurden sie unter Denkmalschutz gestellt und später entkernt und renoviert. Und heute kann man um den alten Hafen unter Arkaden flanieren –
und man ist sicher nie allein. Im Gegenteil – bei gutem Wetter wünscht man sich eventuell, allein zu sein, denn dann ist dort der Teufel los … Was findet man in den Docks? Hotels, Restaurants, Clubs, Bars, Geschäfte, Boutiquen, Cafés, Büros, Luxusappartements, das Beatles-Museum, das Merseyside Maritime Museum, das Tate Liverpool für moderne Kunst – also genügend Möglichkeiten, Stunden zu verbringen.
So viel Zeit wollten wir uns nicht nehmen, zumal die meisten Geschäfte schon geschlossen hatten, die Restaurants auf Gäste warteten und wir das nicht fanden, was wir suchten: einen typisch englisches Inn! Aber wir verzagten nicht, wandten uns vom Wasser ab und zogen Richtung Innenstadt. In der James Street wurde unser Wunsch erfüllt: Wir standen vor „The Liverpool“. Aber nicht lange – wir saßen nach wenigen Sekunden in dieser typisch englischen Kneipe mit gediegener Inneneinrichtung und gut bestückter Theke.
Besonders mit einer Zapfanlage für mehrere Biersorten. Eine fiel uns besonders auf: Hop House 13. Ein Lager mit fruchtiger Aprikosen- und Pfirsichnote. Auch uns hat es geschmeckt, det@ohschänbar ...
und nebenbei schauten wir uns einen Teil des Premier League – Spiels Huddersfield – Derby County an. Es ging hin und her. Ein Kampf – nicht wie so oft Krampf. Und am Ende lag Derby County mit 2 : 1 vorne.
Nach dem ¾ Seetag wollten wir uns noch bewegen. Vorbei an einem Denkmal für die wie so oft griesgrämig durch die Gegend blickende Vicci kamen wir in die Fußgänger- und damit in die Geschäftszone. Wir staunten nur. In den letzten sieben Jahren wurde ein radikaler „Hausputz“ durchgeführt. Nagelneue Geschäftspaläste, die den gestiegenen Kundenansprüchen genügen sollten. Vom teilweise morbiden Charme der Vergangenheit war wenig zu spüren. Eigentlich schade – noch mehr entkernte Altbauten und weniger sterile Gebäude hätten besonders im Zentrum die Identität der einstigen Arbeiter- und Hafenstadt gewahrt. Die Zeichen der Zeit – geänderte Geschäftsgrundlagen bringen geänderte Umgebungen mit sich. Ob das immer gut ist, sei dahingestellt. Immerhin passierten wir noch eins der prächtigsten Gebäude am Hafen
bevor wir die AIDAaura und unsere Koje erreichten.
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