
4. Juli 2025 - A Coruña
Früh aus den Federn gestiegen sahen wir draußen nur Dunst, aus dem sich eins der Wahrzeichen Coruñas, der älteste Leuchtturm der Welt, der Herkules-Turm, schemenhaft herausschälte. Der Hafen war nicht mehr fern – wir näherten uns langsam dem Kreuzfahrtterminal
und bewunderten dabei das zweite Wahrzeichen der Stadt. Die Galerias coruñesas auf der anderen Seite des Sporthafens. Eine wunderschöne Häuserkulisse, sozusagen Glas an Glas, die zum Titel Coruñas „Stadt des Glases“ führte. Der Dunst hatte sich inzwischen aufgelöst; die Wolken führten mit der aufgehenden Sonne zu einem interessanten Lichtspiel:
Zwischenzeitlich drehte das Schiff auf dem Handtuch und uns boten sich noch einmal die Galerias coruñesas in ihrer ganzen Pracht.
Deren Ursprünge wurden vor ca. 150 Jahren gelegt. Am Hafen erhoben sich seinerzeit die Rückseiten von alten Fischerhäusern des Stadtviertels La Pescadería (Fischhändler) mit Arkaden, in denen die Boote untergebracht waren. Sie wurden im Laufe der Zeit umgebaut; die Arkaden und die darüber befindlichen Balkone mit Fenstern geschlossen. Von Weitem sieht alles einheitlich aus, de facto weisen die Holz-/Glasarbeiten unterschiedliche Stile aus.
Nun aber zum Frühstück und anschließend in die Stadt zur Mietwagenstation. Glück gehabt – statt des reservierten Kleinwagens wurde uns ein Citroen C5 aircross überlassen. Nicht schlecht – in ihm verließen wir dank google maps schnell die Stadt. Zunächst bewältigten wir die kurvenreiche Autobahn, später gut ausgebaute Provinzstraßen. Wir befanden uns mitten in der ersten, von uns angefahrenen Provinz Nordspaniens Galicien. Wer kann sich noch an den alten Hit von Julio Iglesias „Un canto a Galicia“ erinnern?
Eu quero che tanto - E ainda non lo sabes -Eu quero che tanto - Terra do meu pai … (Ich will dich so sehr – und du weißt es noch nicht – Ich will dich so sehr – Land meines Vaters …)
Julio bringt mit seiner wehmütigen Stimme seine Liebe zur Heimatprovinz seiner Vorfahren – Galicien – zum Ausdruck. Vor 53 Jahren (bin ich alt geworden …) wurde das melancholische Lied veröffentlicht und ist für mich unvergesslich.
So, 53 Jahre weiter. Und zwar im dank des Regenreichtums fruchtbaren und damit grünen Galicien. Die hügelige Landschaft erinnerte an unsere Mittelgebirge, wenn auch neben Kiefern ein bestimmter Baumtyp vorherrschte: Eukalyptus. Diese schnell wachsenden Bäume wurden einst als Stütze der Holzindustrie angepflanzt und verbreiteten sich immens. Zu immens, ohne Unterlass. Man möchte sie gerne los werden. Doch das klappt nicht …
Nach ungefähr 70 km zügige Autobahnfahrt ging es auf den Provinzstraße gemächlicher voran. Die Landschaft war unverändert; ab und zu durchfuhren wir besonders landwirtschaftlich geprägte Ortschaften. Eine davon war Vimianzo. Teilweise kamen wir nur im Schritttempo voran. Das Örtchen war festlich geschmückt und bereitete sich auf den am Abend beginnenden Höhepunkt des jährlichen Festivals vor: Medieval Dinner, ein Abendessen im Burggraben in vorgeschriebener historischer Kleidung. Aber ohne uns – wir mussten weiter.
Weiter durch die hügelige Landschaft. Und wir waren froh, als wir in der Ferne das Meer erblickten – es war nicht mehr weit bis zu unserem ersten Ziel. Doch zunächst mussten wir durch das 4.700 – Einwohner Städtchen Fisterra (= baskisch; spanisch Finisterre). Die Ortsbezeichnung stammt aus dem Lateinischen; von finis terrae = Ende der Erde. So dachte man in den nicht so guten alten, aber sehr, sehr lange zurückliegenden Zeiten. Einige Kilometer von Fisterra erhob sich das Cabo Fisterra aus dem Atlantik. Schon vor der Römerzeit behauptete man, dass dort, so die Sonne hinter dem Kap versank, die damalige Welt zu Ende war.
So, zunächst langsam durch das noch beschauliche Örtchen Fisterra. Noch? Ja, einige Wochen später würden Massen von Menschen in Richtung des Kaps ziehen, um das alte Ende der Welt zu besuchen. Wie wir an diesem Tage auch. Aber nicht in Begleitung von Besucherhorden. Gut, einige hatten dasselbe Ziel wie wir; es war aber überschaubar. Die Mehrheit war mit dem Auto unterwegs; einige Wenige zu Fuß. Auf einem Weg neben der Straße.
Wie dieser Pilger, der in der Ferne sein Ziel erkannte. Das Kap und damit den Kilometer 0 des Jakobwegs.
Allerdings von Santiago de Compostela, dem allseits bekannten Ende des Pilgerpfades, knapp 90 km entfernt. Gut, die meisten Pilger beenden ihre Wanderung in Santiago. Doch schon vor Jahrhunderten wanderten viele weiter bis zum Kap, um das sie in ihren Bann ziehende Ende der Welt zu besuchen.
Zurück zu unserer Ausflugsfahrt. Wir erreichten den an diesem Tag recht leeren Parkplatz. Raus aus dem Wagen und los. Pilgern auf dem Jakobsweg, auch wenn der Kilometer 0 noch nicht einmal 1 km entfernt war … (Gönnt uns bitte die Illusion, ein Stück auf dem Jakobsweg gepilgert zu sein … grins …) Nicht weit vor uns erschien das Cabo Fisterra mit dem Leuchtturm.
Unser "Pilgerziel". Und wo gepilgert wurde, befanden sich auch Kreuze. Unser erstes Kreuz auf dem Weg zum Ziel:
Vom Kreuz aus hatten wir einen tollen Ausblick auf die Bucht de Corcubión, den Leuchtturm und den Atlantik. Einige Meter weiter wurde bestätigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befanden.
Nun soll noch jemand behaupten, dass der Jakobsweg in Santiago de Compostela endet! Dem Schildchen unterhalb des Pilgerzeichens war eindeutig zu entnehmen: km 0,000! Alles klar?!
Selbstverständlich gab es am Kap nicht nur klerikale sondern auch profane Hinweise.
Ein bronzener Schuh. Bereits ein wenig lädiert. Am Fuße des Felsbrockens mit dem Schuh lagen einige Hinterlassenschaften von Pilgern. Wanderschuhe, die ihren Zweck erfüllt hatten und als Zeichen des Erfolges am Ziel entsorgt wurden.
Quasi um die Ecke fanden wir ein weiteres Kreuz.
Es symbolisiert das Ende des Jakobswegs. Im Mittelalter verbrannten Pilger am Fuße des Kreuzes ihre Kleidung und Schuhe. Sie zeigten damit, dass sie als geläuterte Menschen in ihre Heimat zurückkehren würden.
Nun aber zum Leuchtturm; 138 m unter ihm tobt zuweilen das Meer. Oben ein 17 m hoher Turm mit Wärterhaus.
Sie thronen über der Costa da Morte. Nicht zu Unrecht führt die Küste diese Bezeichnung. Viele Schiffe und ertrunkene Seeleute legten Zeugnis dafür ab. Aus diesem Grunde wurde 1853 an diesem neuralgischen Punkt der Faro de Finisterre erbaut, um vor den Gefahren zu warnen. Bis zu 65 km weit tragen seine Lichter.
Der Leuchtturm ist das am zweithäufigsten besuchte touristische Ziel Galiciens. Nicht nur Einheimische reisen hierhin, auch Reisende aus aller Herren (sorry: und Damen) Länder. Wir sahen es – eine voll beklebte Tür auf dem Gelände des Leuchtturms.
Damit sich die ausländischen Touristen orientieren können, wurden ihnen Informationen gegeben, wie weit es bis in ihr Heimatland ist.
Selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
So, wir hatten das einstige Ende der Welt verinnerlicht und machten uns auf, den westlichsten Punkt des spanischen Festlands aufzusuchen. Quasi das echte Ende der Welt für manche Spanier. Also rein ins Auto und los. Zunächst auf denselben Straßen wie während der Hinfahrt. Also durch Finisterre, wo uns ein Hinweisschild Playa lockte. Wir gehorchten und befanden uns nach kurzer Zeit vor dem Langosteira-Strand. Nicht so wie in Südspanien oder auf den Kanaren. Vor dem Strand befand sich ein Schilfgürtel.
Richtig – wir befanden uns im regenreichen Galicien. Bevor wir den Strand betreten konnten, musste der Rio Grande (echt!) überquert werden. Über eine Brücke.
Wir schafften es und standen auf einem 3 km langen, sehr breiten wunderschönen Sandstrand mit einigen Schatten spendenden Pinien.
Der Jakobsweg ließ uns dabei nicht los. Wer über den Strand wandert, der pilgert. Denn der Strand ist ein Abschnitt des Pilgerweges. Nach leider nur wenigen Minuten mussten wir zurück zu unserem Auto. Am Schilf umsäumten Rio Grande entlang.
Ein paar Kilometer hinter Finisterre lockte einer der wenigen Parkplätze unserer Route. Mit einem herrlichen Blick auf den Ort, den langen Strand und das Cabo Fisterra. Selbst der Leuchtturm war noch zu erkennen.
Fortsetzung folgt
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