Fortsetzung Ishigaki
Treppen runter und direkt mal mit etwa 20 weiteren Leuten ab auf so eine Dschunke.
In der Mitte ist nach unten hin eine Glasscheibe und neugierig lehnen wir uns sofort über die Reling.
Tatsächlich sehe ich den sandigen Grund, aber noch keine Fische. Doch wir sind ja auch noch nicht losgefahren.
Die Trägerin relativiert diesen Zustand noch weiter und überrascht mit der Aussage: „Toll, ich sehe nur einen alten Sack!“ Mir entgleiten die Gesichtszüge, der unverschämte Ty kippt weg vor Lachen und erschrocken schaue ich zum armen „Träger“. Aber den meinte die wohl gar nicht, denn jetzt sehe ich es auch. Direkt unter uns, halb im Sand vergraben, wabert so ein alter Plastiksack im leichten Wellenschlag hin und her.
Das Boot legt ab
und jetzt sind wir gespannt, ob da hoffentlich noch mehr kommt, bei dem ersten „Tauchgang“ unseres Lebens.
Durch die Erosion ausgewaschene Steinformationen
setzen sich unter Wasser und am Grund fort.
Und dazwischen lauter Fische. Mal groß, mal klein. Mal mehr und mal weniger bunt. Die Fellbande ist begeistert, der Tiger findet „Nemo“ und auch Schildkröten. Und sogar eine kleine Seeschlange oder Muräne schlängelt sich da unten durchs klare Wasser. Natürlich kennt der Bootsführer die Stellen wo es was zu sehen gibt und setzt immer mal wieder vor und zurück. Dann aber bilden sich erstmal lauter Luftblasen hinter der Scheibe und versauen uns die ungehinderte Sicht. Große Muscheln noch und komische Korallen, die wie ein Hirn aussehen.
Und jetzt ist auch schon die halbe Stunde vorbei die wir hier durch die flache Bucht geeiert sind. Das ging aber schnell, wir haben uns doch noch gar nicht sattgesehen. Und vor allem haben wir noch keine der giftigen Würfelquallen und auch keinen Mantarochen gesehen. Beides soll es hier geben, aber die Quallen eher im Sommer und die Rochen sicher weiter draußen und nicht hier bei den nervigen Touri-Booten.
Schwimmen und Tauchen darf man aber nicht nur wegen dem Naturschutz hier nicht, sondern auch wegen den tückischen Strömungen. Gut für uns, denn sonst wären unsere Leute noch mit Taucherbrille und ohne uns losgezogen.
Aussteigen und nächster Treffpunkt ist vor diesem unvermeidlichen „Perlenladen“. Da hin laufen wir jetzt erstmal alleine und schauen noch das eine oder andere Mal auf die Bucht. Im Moment ist wohl gerade Ebbe, da sieht es an manchen Stellen nicht so toll aus.
Aber ansonsten ist die Gegend schon super, ein ganz anderes Japan hier unten im Süden.
Überall in Japan diese aufwändigen kunstvollen Dächer.
Und der Träger kriegt nicht mal das Dach im Gartenschuppen dicht!
Noch ein bisschen Schmetterlinge mit der Kamera jagen und dann ist die Truppe komplett zum Sturm in den „Perlenladen“. Der interessiert uns samt Anhang eigentlich mal gar nicht, aber umso mehr eine darin integrierte Nebenräumlichkeit, die Toilette.
Nicht um auch nur einen Yen, aber anders erleichtert verlassen wir nach „Geschäftsabschluss“ den Laden frühzeitig. Was gab es zu sehen und hätte nach Meinung des Inhabers gekauft werden sollen? Nun, vor allem etwas mit diesen schwarzen Perlen, die angeblich nur hier in der Bucht und der Nachbarinsel „Taketomi“ angebaut werden.
Ohne uns! Gibt es beim „Schwarzperlen-Bauer“ heute Abend halt nur trocken Brot. Teddy ist von oben bis unten mit Buttons behangen, hat keinen Platz mehr an den Klamotten und warum sollte ich überhaupt schwarz tragen? So traurig ist das hier doch gar nicht in Japan.
Letzter Tagesordnungspunkt nun das Freilichtmuseum Yaima Mura Village. Traditionelle Häuser, Holzkonstruktionen der Gegend sind irgendwo abgebaut und hier wieder aufgebaut worden.
Aber erstmal begeben wir uns in Gefahr und laufen zu dem Freigehege mit den Affen. Vorsorglich verschwindet die Fellbande vor der diebischen Affenbande tief unten im Rucksack. Nicht auszudenken wenn unsere Leute plötzlich unsere Glöckchen nur noch in der Ferne oder hoch oben von einem Baum hören würden und neben uns grinsende, besitzergreifende Affen sitzen.
Überall lauern und turnen die jetzt hier rum und plötzlich hat der Träger einen im Nacken. Ob der die Witterung der Fellbande aufgenommen hat? Mal gut, dass wir uns verkrochen haben. Kannst abhauen, du verhinderter Dieb! Mache mal lieber Faxen für die Leute!
Manchmal darf man die übrigens auch füttern, steht wohl sogar so ein Automat da. Aber jetzt, um diese Uhrzeit, ist es eigentlich verboten. Was einen Japaner aber nicht stört. Der füttert fleißig
und die Affen geraten im Futterneid in Zank und Streit.
Wir aber sind im Moment relativ friedfertig untereinander und verlassen die Kampfarena.
Die Häuser die wir jetzt eigenständig aufsuchen, die Teddys sind wieder aus dem Rucksack aufgetaucht, sollen wohl authentisch eingerichtet sein. Authentisch jedenfalls auch der Ochse
und der eingesperrte Raubvogel, der bestimmt potentielle Beute in uns sieht, so wie der schaut.
Aber Ätsch, Zaun dazwischen.
Von einem Aussichtspunkt aus sieht man Palmen ohne Ende
und hier wieder angeknotete Wunschzettel,
wahrscheinlich „Nieten“ die man mal lieber nicht mit sich trägt und die so an der Verfolgung gehindert werden.
Fischerhaus, Bauernhaus, private Residenz und was weiß ich nicht noch alles.
Wir schauen überall mal rein. Und zum Abschluss gibt es noch eine kleine Showeinlage eines alten Japaners, der traditionelle Weisen singt und dabei eine Art „Laute“ spielt. Tatsächlich ist es wohl ein einheimisches Instrument, von dem ich den Namen nicht mehr weiß. Egal. Manchmal jammert der Mann irgendwie beim Singen. Kein Wunder, wenn sein Stuhl auch so unbequem wie der vom Träger ist. Irgendwie sitzen die Japaner komisch. Manchmal nur so ein kleiner flacher Hocker, bei dem man dann nicht weiß wo hin mit den Beinen und manchmal auch direkt auf dem Boden, mit dem Po auf den nach hinten gebogenen Beinen. Also wenn der Träger sich jetzt so hingesetzt hätte wie die assimilierte Touristin neben ihm, dann wäre er mit dem Meniskusschaden nicht mehr hochgekommen und jetzt immer noch da.
In Japan empfiehlt es sich, immer darauf zu achten, saubere und intakte Socken zu tragen, am besten auch noch frische. Obwohl letzteres zu erfüllen nach stundenlangem Ausflug eher schwer sein dürfte. Und warum das mit den Socken? Weil man ewig die Schuhe ausziehen muss! Gehört sich so, ist Pflicht bei vielen Tempeln oder auch anderen Gelegenheiten, wie hier z. B. bei der Hausmusik.
Ein ganz besonderes Schild fällt mir bei der Rückfahrt im Ort auf.
An einem Laternenpfahl prangt „Tsunami 3m“. Kennt man bei uns ja auch, da steht dann aber „Sturmflut“ oder „Hochwasser“ drauf.
So, das war es dann mit Japan.
War schon ein herausragendes Erlebnis. Auch diese Freundlichkeit und zurückhaltende Höflichkeit von all den Leuten. Dass es, zumindest für unseren persönlichen Geschmack, durch die nächsten Anlaufpunkte erlebnistechnisch tatsächlich noch ein bisschen getoppt wird, nun das ahnen wir jetzt natürlich noch nicht...
Interessant war das teils auch persönliche Gespräch mit dem jungen Reiseleiter vor ein paar Tagen in Nagasaki und Tokio. Also mit einem jungen Menschen, der vor seiner Rückkehr größtenteils in Hamburg gelebt, also eine authentisch vergleichbare Sicht auf die Sache hat.
Hinter der freundlichen japanischen Fassade sieht er durchaus soziale Probleme und auch sonst noch interessante wesentliche Unterschiede zu z. B. Deutschland.
„Respekt“ ist hier ein durchaus beachtenswertes Gut, wird seiner Meinung nach aber in manchen Bereichen übertrieben. Lehrer sind wie Halbgötter und auch sonst geht der Respekt beim Alter generell immer von unten nach oben, ist dahingehend oft auch eine Einbahnstraße. Das zieht sich bis ins Verhältnis der Schüler untereinander. Trennen sie altersmäßig auch nur eine einzige Klasse, z. B. 4. und 5. Schulklasse, muss man den älteren Schülern dennoch absoluten Respekt erweisen. Und wenn man beim Mannschaftssport, selbst in einem geführten Sportverein, zwar mehr Talent aber weniger Lebensjahre hat, dann liegt das Recht in die Mannschaftsaufstellung zu gelangen i. d. R. trotzdem beim Älteren.
Im Arbeitsleben ist und bleibt der Jüngere, selbst nach 10 Jahren Berufserfahrung immer der „Stift“, der nahezu bedingungslos die Anweisungen eines älteren „Null-Ahnung-Typen“ befolgen und auch die „Drecksarbeit“ machen muss. Das schreckt ab und führt zusammen mit der geringen Geburtenrate zu Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden
Auf Biegen und Brechen erstrebenswert ist hier einzig ein Studium. Mit der Folge, dass man notgedrungen oftmals Studiengänge belegt, in denen man niemals vor hat zu arbeiten, es niemals anwenden kann, aber Hauptsache man hat studiert. Nur das zählt in der Gesellschaft. Wer es schulisch nicht zu schaffen droht, besucht nach der Schule „Lernzentren“, nicht zu vergleichen mit der Nachhilfe in Deutschland.
Auch mit der Geschichte hat man offenkundige Probleme. Der 2. Weltkrieg nimmt schon in der Schule nur einen absolut geringen Raum im Unterricht ein. Und die „Gräueltaten“ in den Kriegen und in der älteren Geschichte werden, wie vieles andere Negative, totgeschwiegen.
Der Reiseleiter spricht dabei von den „2 Gesichtern des Japaners“, welcher generell ein Problem damit hat, jemandem Missfallen oder auch Kritik, direkt ins Gesicht zu sagen. Um Vieles wird drum herum geredet oder oberflächlich weggelächelt. So rät er z. B. auch davor ab, sich auf eine auf Nachfrage erhaltene Wegbeschreibung zu verlassen. Dem Japaner fällt es oftmals schwer, seine Unwissenheit zuzugeben und gibt lieber lächelnd eine Phantasieauskunft. Da ist der Teddy ja ganz anders…
Wie gesagt, das hat er so erzählt und wir können das ja nicht nachprüfen. Haben ja keinen Vergleich, außer dem flüchtigen Eindruck von den paar vergangenen Tagen, wo wir als einzige Tiefgründigkeit höchstens mal hinter Fassaden von Tempeln oder so geschaut haben, nicht aber hinter gesellschaftliche. Da ist es schon interessant, mal was aus erster Hand zu hören.
Das mit dem „Respekt gegenüber Älteren“ hat der Ty übrigens zum Glück nicht mitgekommen und vergessen wir mal schnell wieder. Der ist nämlich eigentlich älter als ich.
Während wir nun in Schleichfahrt Japan verlassen, die Fellbande einsam aus dem Fenster schaut, sitzen unsere Leute feist an der „Pool-Bar“. Ein sogenanntes „Wohnzimmer-Konzert“ der Band, postiert in einer Nische bei der Bar.
Wohnzimmerkonzert hatten wir ja heute Mittag schon mit dem alten Japaner in der Hütte vom Freilichtmuseum. Aber das hier ist anders. Nicht nur wegen den chilligen Songs, sondern vor allem sitzen die bequem auf dem Rattan-Sofa und müssen sich nicht auf dem Boden die Knochen verbiegen. Okay, über die Gesangsqualität kann man streiten, aber grundsätzlich eine viel zu wenig genutzte Möglichkeit von Aida. Also unsere Leute finden es toll und bleiben bis zum Schluss, als es der Band dann langsam zu zugig wird.
Morgen früh sind wir dann schon in Taiwan. Und wenn ich früh sage, dann meine ich früh, sehr früh…
--- Fortsetzung folgt ---
Und auf Taiwan lernen die Fellkameraden erstmal, dass das kleine Wort „Volk“ in China sehr entscheident sein kann.
Mit einem ganz anderen kleinen Wort verderbe ich dem Ty kurzzeitig die Laune,
auf der Süßkartoffel taucht er nun wieder auf, dieser Chiang Kai-shek,
der kleine Tiger ist verblüfft, das hier halbe Leitern eine große Rolle spielen,
wir alle erleben ein ganzes Museum mit geklauten Sachen,
einen zackigen Wachwechsel,
und kein "Schiii-nitzel"...