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  • Ein Nutzer bat mich, ihm meine Berichtsfolge GB/Irland zukommen zu lassen. Da es insgesamt 12 Einzelberichte sind, lade ich sie - leider ohne Fotos - in diesem Forum hoch.


    Nein, das kann ich nach dem Tagesaufenthalt in dieser schönen Gegend Südenglands nicht bejahen, aber hereingeschnuppert haben wir!



    6.00 Uhr früh: ich stand auf und schaute misstrauisch nach draußen. Das typische englische Wetter begrüßte uns. Zwar regnete es nicht cats and dogs – es war trocken, aber diesig. Sehr diesig. Sehr, sehr diesig … Oben auf Deck beobachteten wir das Einlaufen in den Hafen von Dover. Wir sahen ansatzweise die Dover umspannenden Kreidefelsen, die bereits festgemachte Black Watch der Fred. Olsen Cruise Lines und auch das im Dunst ab und zu auftauchende und über Dover thronende Castle.


    Logisch, dass wir bis zum Festmachen zuschauten. Die fleißigen Helfer arbeiteten beeindruckend im Gleichklang und somit Hand in Hand – fast wie beim Tauziehen …
    Die Geschichte Dovers ist die Geschichte vieler Kriege. Aufgrund der Nähe zum europäischen Festland wurde die Stadt immer wieder angegriffen bzw. bedroht. So wurde die Bastion 1066 vom Normannen Wilhelm der Eroberer nach der Schlacht von Hastings und vor seiner Krönung zum König von England eingenommen. Heinrich VIII und Elisabeth I ließen die Verteidigungsanlagen weiter verstärken. Zu Napoleons Zeiten wurde weiter an den Befestigungen gebaut. Während des 1. Weltkrieges war Dover Zentrum der englischen Kanalverteidigung; im 2. Weltkrieg wurde die Stadt von weit reichenden, in Frankreich stehenden Geschützen beschossen. Die Evakuierung des englischen Heeres wurde von Dover aus geleitet. Heute ist Dover eine Industriestadt und Fährhafen zum Festland; allerdings ist diese Bedeutung seit der Eröffnung des Eurotunnels gesunken.



    Nach dem Frühstück folgten wir der Empfehlung von weblounge-Nutzer C-- (danke!), Dover links liegen zu lassen und den Hauptteil des Tages in Canterbury zu verbringen. Mit dem auf der AIDAcara kennengelernten Eheleuten Elsa und Lothar fuhren wir mit dem Shuttle-Bus ins Stadtzentrum. Vom Halteplatz waren es nur ca. 10 Minuten zu Fuß bis zum Bahnhof Dover Priory; der Weg ist ausgeschildert. Die Züge fahren zweimal in der Stunde. Der Durchgangszug benötigt 16 Minuten, der langsamere, an mehreren Stationen haltende eine knappe halbe Stunde. Wir erwischten direkt den Durchgangszug.


    Canterbury wurde auf den Fundamenten einer eisenzeitlichen Siedlung von den Römern als Durovernum Cantiacorum gegründet. Nach der Übernahme durch die Angelsachsen im 5. Jahrhundert hieß die Stadt Cantwaraburig. Der Missionar Augustinus wurde um die Wende zum 6. Jahrhundert erster Erzbischof von Canterbury nach Baubeginn einer Kirche. Mitte des 11. Jahrhunderts kamen die Normannen und es begann der Bau einer Kathedrale. Der Erzbischof Thomas Becket wurde nach Stress mit König Heinrich II Kurzmantel von dessen Höflingen in der Kathedrale ermordet und drei Jahre später heilig gesprochen - auch zum Wohle Canterburys, das auf einmal Ziel unzähliger Pilger wurde. Literarisch wurde die Stadt ca. 200 Jahre später zum Mittelpunkt, als Geoffrey Chaucer seine Canterbury Tales schrieb. Er schilderte die Pilgerfahrt einiger mehr oder weniger frommer Menschen, die sich die Reise dadurch verkürzten, indem jeder eine Geschichte zu erzählen hatte. Mit für diese Zeit teilweise schlüpfrigen Bemerkungen wurde ein Sittenbild dieser Epoche wiedergegeben. Heinrich VIII trennte sich 1534 von der römischen Kirche und bestimmte den Erzbischof von Canterbury zum höchsten Geistlichen der anglikanischen Kirche (Oberhaupt war/ist der/die englische König/-in). Wirtschaftlich wichtig war im 16. und 17. Jahrhundert die Immigration der Hugenotten, die mit ihren Webereikenntnissen großen wirtschaftlichen Aufschwung brachten. Steigende Importe von Textilprodukten brachte diese Stammindustrie allerdings im 19. Jahrhundert zum Erliegen. Heute hat Canterbury über 40.000 Einwohner, wovon angabegemäß die Hälfte Studenten sein sollen



    So, nun zurück zu unserem Tagesunternehmen. Wir verließen den Bahnhof und folgten der Ausschilderung zur Kathedrale. Schnell erreichten wir die mit Rundtürmen besetzte Stadtmauer und passierten - oben der Stadtmauer folgend – den Dane John Garden. Dieser Park mit vielen verschiedenen Pflanzen und Bäumen ist beliebter Treffpunkt der Einwohner Canterburys und auch Veranstaltungsort für Open-Air-Konzerte. Außerdem befinden sich in diesem Park Denkmäler, z.B. für die Gefallenen des Burenkrieges und für James Simmons, der diesen Park im 18. Jahrhundert erweitern und der Öffentlichkeit zugänglich machen ließ. Die Stadtmauer umschließt die älteren Teile der Stadt zur Hälfte. Bei einem Spaziergang auf dem inzwischen verbreiterten „Wehrgang“ hat man sehr schöne Ausblicke auf Stadt und auf den einen oder anderen einladend aussehenden Pub.


    Halt, nein nicht halten! Weitergehen und den Pub auf Steuerbord liegen lassen! Es war noch zu früh …


    Die Stadtmauer verließen wir am Busbahnhof und bogen links in die St. George Street ein. Ziemlich zu Beginn dieser Einkaufsstraße steht als Relikt der Turm der St.-Georgs-Kirche, in der 1564 der Dichter und Dramaturg Christopher Marlowe getauft wurde.


    Wir schlenderten durch enge Gassen mit wunderschönen Häusern und standen plötzlich vor dem Christchurch Gate.


    Auweia, auch wenn allein das Eingangstor zum Kathedralenbereich beeindruckte und uns auf die Pracht der Kathedrale vorbereitete, schreckten die vor dem Tor stehenden Menschenmassen fast ab. Schulklassen verschiedener Nationen und unzählige Einzelbesucher hatten dieselbe Absicht wie wir. Also rein ins Getümmel. So, die ersten Fotos wurden geschossen, bevor wir das Gotteshaus betraten.


    Auf den Fundamenten einer angelsächsischen Kirche ließ der normannische Bischof Lafranc die Kathedrale mit zwei Westfronttürmen zwischen 1070 und 1077 hochziehen. In den Folgejahren bzw. –jahrhunderten wurde der Bau erweitert. So z.B. nach der Ermordung des Bischofs Thomas Becket durch eine Verlängerung des Chors für den Schrein des Getöteten und durch die Errichtung eines 80 m hohen Vierungsturms. Wenn man die Kathedrale betritt, geht der Blick unweigerlich nach oben. Man fühlt sich unwillkürlich an Ken Follet´s „Säulen der Erde“ erinnert! O.K. – sein Vorbild war wohl die Kathedrale von Salisbury … aber die Proportionen der von Canterbury! Die Säulen ziehen sich wirklich fast unendlich und schlank nach oben. Als Mensch fühlt man sich richtig klein …


    Wir besuchten verschiedene Kapellen, u.a. die Dreifaltigkeitskapelle, in der der Schrein Thomas Becket´s stand. Ja, er stand dort bis zur Trennung Heinrich´s VIII von Rom. Er ließ den Schrein entfernen; seitdem ist er unauffindbar. Wir gingen auch in die unterirdische Krypta, wo das Fotografieren verboten war. Aber der Besuch dieses wohl ältesten Teils der Kathedrale ist ein Muss. So gibt es dort Decken- und Wandmalereien aus dem 12./13. Jahrhundert.


    Nach längerer Besichtigung verließen wir die Kathedrale, begannen mit der Umrundung der Kirche, passierten das Haus des Dekans und standen auf einmal im Klosterhof, der von einem wunderschönen Kreuzgang umringt ist – der schönste, den wir bisher gesehen hatten!


    Eine Stätte der Ruhe - trotz der unzähligen Touristen, die sich allerdings bei unserem Besuch hierhin kaum „verlaufen“ hatten – und für die Augen. Wir hatten angesichts des vorgenommenen Tagesprogramms leider wenig Zeit, die kunstvollen Kapitelle und die Wappen an der Decke richtig zu genießen.


    Schon war die Kathedrale ganz umrundet; wir schauten uns noch die kleinen, den Kathedralenbereich an dieser Stelle eingrenzenden und gut gepflegten Häuser an und verließen ihn durch das Christchurch Gate. Hmh, gut, dass wir recht früh den Kirchenbesuch geplant hatten … schon wieder hatten sich Menschenschlangen vor dem Eingangsbereich gebildet …


    Entlang der High Street spazierten wir Richtung Westgate. Die High Street bildet mit der St. George´s Street und der St. Peter´s Street die für Fahrzeuge nicht freigegebene Haupteinkaufsstraße von Canterbury. Viele kleine, ab und zu mittelgroße Geschäfte und jede Menge Restaurants und Bars. Ab und zu Pubs, die sich jedoch mehr in den pittoresken Quergassen konzentrierten.


    Während unseres Bummelns wurden wir von Studenten angesprochen, die uns eine 40-minütige Kahnfahrt auf dem Flüsschen Stour anboten. Captain James Morgan - sein Nachname war tatsächlich Morgan – kommentierte die Sehenswürdigkeiten, die er während der kurzen Bootsfahrt ansteuerte. Direkt vor unserer Ablegestelle stehen die Weavers´ Houses, schöne alte Fachwerkhäuser, die in früheren Zeiten als Manufakturen der hugenottischen Weber dienten. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang waren in diesen Häusern Bäcker, Metzger und auch Damen des Rotlichtviertels untergebracht. Unweit unserer Ablegestelle ist ein Relikt oder eher ein Nachbau des Ducking Stool zu sehen. Früher tauchte man auf diesem Stuhl zänkische Frauen in den Stour, der auch die Abwässer aufnahm. Auf diese drastische Weise lernten sie, ihren Mund zu halten …


    Auf einer Brücke wurde Mitte des 12. Jahrhunderts The Canterbury Pilgrim´s Hospital of St. Thomas gebaut, in dem mittellose Pilger übernachteten.


    So, die Bootsfahrt ging recht schnell vorüber. Sie war ganz nett …


    Kurz steuerten wir das Westgate an und gingen – die Auslagen der Geschäfte betrachtend – durch die Fußgängerzone Richtung Bahnhof. Dieses Mal erwischten wir den an jedem Bahnhof haltenden Zug und die Fahrzeit verdoppelte sich fast. Aber dafür konnten wir die an uns vorüber ziehende sanfte Landschaft Kents genießen. In Dover angekommen, gingen wir zur Haltestelle des Shuttle-Busses und fuhren zum Dover Castle. Doch hier gab es lange Gesichter. Man durften nicht ohne Zahlung des recht hohen Eintrittspreises die Außenmauern betreten und von dort aus einen Blick auf Dover werfen. Für einen nur kurzen Besuch war es uns zu viel - also spazierten wir ein wenig herum und entdeckten das Denkmal für Louis Blériot. Blériot überquerte als erster mit einem Flugzeug den Ärmelkanal. An der Landungsstelle wurde ihm zur Erinnerung ein Flugzeugumriss aus Steinen in den Rasen gesetzt. Ansonsten war auf den Hügeln über Dover nicht viel so sehen und so fuhren wir wieder zur AIDAcara zurück.


    Da noch ein wenig Zeit bis zum Abendessen bzw. zum Ablegen war, beschlossen wir, den westlich der Stadt liegenden Strand aufzusuchen, den wir vom Schiff aus gesehen hatten und der sich bis zu den Steilklippen hinzog. Wir gingen und gingen, versuchten mal hier und dort Zugänge durch Gewerbegrundstücke zu finden – vergeblich … Zu guter Letzt eilten wir eine Durchgangsstraße entlang und endlich war ein die Eisenbahnlinie überbrückender Zugang zum Strand zu sehen. Da aber in der Zwischenzeit die Flut gekommen und der Strand nahezu überschwemmt war, gingen wir zurück zum Schiff.


    Nach unseren Eindrücken gibt Dover – bis auf die Burganlage, wie uns Mitreisende berichteten – nicht viel her. Eine typische englische Industriestadt mit vielen älteren, teilweise nicht sehr gepflegten Häusern. Bei schönem Wetter könnte man zu den Klippen wandern (s.a. Reisebericht von rhönschaf: http://www.aida-weblounge.de/r…%C3%B6nster-tag-der-reise). Die Wege sind ausgeschildert; für eine Richtung soll man gem. Ausschilderung ca. eine Stunde ansetzen.


    Am Schiff angekommen, bereiteten wir uns auf das Abendessen vor und schlugen im Calypso beim Buffet „California“ voll zu – im Marktrestaurant ging es rund um den „Orientexpress“.


    Der pünktliche Abschied um 20.00 Uhr erfolgte so wie die Begrüßung von Dover: im starken Dunst, so dass leider erneut wenig von den Klippen zu sehen war.


    Übrigens, die Wetterprognosen von Samstag trafen i.W. zu: für uns gab es fast keine Sonne, dafür auch kein Regen, den die London- und Dovertouristen an diesem Tag für sich beanspruchen mussten.


    Noch eine Nacht auf dem Schiff – dann ist Frankreich an der Reihe!