
25. November 2019 – Civitavecchia/Italien, sonnig bis teilweise bewölkt 19 Grad
„Waaaas, ich glaub es nicht!!!“ Im Halbschlaf habe ich einfach den Wecker ausgemacht, der mich rechtzeitig zum Sonnenaufgang um 7.15 Uhr wecken sollte. „Also meine Liebe, da musst du aber ganz schön müde gewesen sein“, ertönt es neben mir im Bett. Haha, wir zwei sind echte Helden. Das Frühstück im Buffalo, geöffnet bis 10 Uhr, können wir uns schon mal abschminken. Ein Blick in das Tagesprogramm zeigt, wenn wir schnell sind, können wir noch im East Restaurant bis 11 Uhr frühstücken, damit wir gestärkt zur unserer Unternehmung aufbrechen können. Schnell geduscht, gestylt und wunderbar, als wir im East ankommen, gibt es jede Menge freie Sitzplätze. Kein Gewusel, keine Passagiere die sich sputen, um rechtzeitig den Ausflugsbus zu erreichen – es ist ziemlich entspannt gerade. Die meisten der Passagiere sind ja eh schon lange unterwegs. Viele bestimmt in Richtung Rom, die Heilige Stadt.
Die Sonne scheint, der Himmel ist azurblau und wir schauen auf den Hafen. Ach, wie schön es doch hier ist und so ganz ohne Hektik. Auf dem Pooldeck gähnende Leere.
Die zwei überdimensionalen Figuren signalisieren mir „Gnädige Frau, da können sie lange schauen, die Sonne hat fast die Mittagsposition erreicht! Nächstes Mal lassen Sie die Wecker klingeln und hüpfen aus dem Bett, wenn sie den Sonnenaufgang sehen wollen. Schönen Tag wünschen wir ihnen.“
Auf dem Rückweg zur Kabine begegnet uns so gut wie kein Mensch und ich kann noch ein paar Fotos vom Inneren der SOL machen. Der Rucksack steht bereit, Geld, Fotoapparat, Handy, Flasche Wasser sind drin – es kann losgehen. Vor dem Schiff ist nichts los, die Busse sind alle fort; nur der Shuttle wartet auf Fahrgäste, die in die Stadt wollen. Ja, man kann auch zu Fuß laufen, aber wir sparen uns die Kräfte auf für unsere Tour. In der Nähe des Forte Michelangelo steuert der Bus auf einen kleinen Parkplatz und wir steigen aus. Er fährt weiter bis in die Nähe des kleinen Bootshafen an der Calata della Rocca. Da wollen wir nachher noch hin.
Schon im Vorjahr waren wir von dem Forte ganz angetan. Das Gebäude hat immense Ausmaße, die Seitenlänge beträgt 100 mal 82 Meter. An jeder Ecke gibt es einen runden Turm und diese habe eigene Namen. Interessant … Der Turm im Südosten heißt San Paolo, im Südwesten trägt er den Namen San Pietro, im Nordwesten ist es San Romolo und der Turm im Nordosten heißt San Guilio. Alles schöne Namen, aber ich habe keine Ahnung, ob das mal berühmte Männer waren. Dass dieses „Forte“ zum Schutze des Hafens diente, kann man ja leicht an der Größe erkennen. Und dass der berühmte Michelangelo irgendwann die Finger mit im Spiel hatte, kann man sich ja ausmalen. Schließlich wurde das Forte nach seinem Namen benannt. Der zweite Weltkrieg setzte der Festung arg zu und sie wurde später renoviert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde sie noch einmal saniert und nun sieht sie doch recht passabel aus. Im Vorjahr habe ich dort auch noch einige Absperrungen gesehen, da ging es mehr um das äußere Drumherum.
Nicht
weit entfernt stoßen wir auf die historische Stadtmauer und tauchen
ein in die Altstadt.
Die Fontana del Vanvitelli ist nicht zu
übersehen. Der Brunnen aus dem 18. Jahrhundert ist ein Teil der
Mauer, die den Hafen von der Stadt trennt.
Ein paar Meter weiter
durchschreiten wir das Porta Livorno und schon stellen wir fest, hier
waren wir noch nicht gewesen. In einer kleinen Ecke ist ein Denkmal
auf dessen Sockel ein Mann im langen Mantel steht. Sein Name lautet
Hasekura Tsunenaga,
ein japanischer Samurai.
Er war im Jahr 1615 angereist, um dem Papst in Rom eine Botschaft zu überbringen. Es ging dabei um einen Handelsvertrag zwischen Japan und Mexiko, sowie um die Entsendung von Missionaren nach Japan. Fazit des Besuchs: christliche Missionare konnten nach Japan reisen und die Regelung mit dem Handelsvertrag überließ der Vatikan dem spanischen König. Hasekura erhielt den Ehrentitel eines römischen Adligen und römischen Bürgers. Soviel zu dem Denkmal.
Etwas ratlos stehe ich vor einem Baum. Die Früchte erinnern mich an Mispeln und die schmalen Blätter an Oleander oder einen Gummibau. Letztendlich ist es mir egal. Sie sehen auf jeden Fall schön aus, wie sie dort leuchtend gelb in den dunkelgrünen Blättern hängen.
An den Brunnen an der Piazza Leandra kann ich mich nicht mehr erinnern, aber sehr wohl an das Haus mit der großen Eingangstür. Viel getan hat sich nicht in dem Jahr, die Front ist weiterhin verwittert, die Farbe blättert ab und das Moos wächst weiter an einigen Stellen. Heute hat allerdings die Familie in der zweiten Etage Waschtag. Die Wäsche hängt an schmalen Schüren über unseren Köpfen und flattert leicht im Wind. Die Art des Wäschetrocknens auf der Leine ist auf jeden Fall sehr energiesparend.
Und es ist egal
wo man läuft in Civitavecchia, irgendwo erblickst du immer einen
Kirchturm.
Oder man schaut einfach mal oben und sieht den blauen Himmel.
Und plötzlich sehen wir Menschen mit Einkaufstaschen uns entgegenkommen. Stimmt, hier ist ja die Markthalle in der Nähe. Ein Paradies für mich und wieder denke ich wehmütig an die Gewichtsbeschränkung meines Reisegepäcks. Nun gut, schauen kostet nichts und so gehen wir an den Verkaufsständen vorbei, wo das Obst und Gemüse schön angerichtet auf Kundschaft wartet. Die Oliven leuchten in der Sonne und in der Fischhalle liegen allerlei an Fisch und Meeresfrüchten auf Eis – alles sieht so frisch aus. Ein Hauch vom Duft des luftgetrockenten Schinkens liegt in der Luft, da bekommt man sofort Appetit. Ja, ein Markthallenbesuch ist immer lohnenswert und verführerisch.
Nun aber weiter, wir haben noch viel vor. Unterwegs fällt mir auf, die Gesteige und Straßen sind blitzsauber, es liegt kein Papier herum und auch keine achtlos weggeworfenen Zigarettenkippen.
Am Traiano-Theater steht immer noch die Gans auf dem blauen Ei und neu sind die großen Buntstifte davor oder haben wir sie voriges Jahr übersehen? Meine Faust scheint zu klein, um sie zu umfassen.
Ganz in der Nähe kehren wir in das kleine Bistro ein, das wir letztes Jahr besucht haben. Heute stehen ein paar wenige Tische draußen und der Rest ist in einen Pavillion umgezogen. Dort sitzt man windgeschützt und ein Regenguss kann den Espresso nicht verdünnen. Leidtragende sind wohl die Tauben, die haben letztes mal gierig die Krümel von den Tischen gepickt. “Signorina, il conto per favore” - wichtige Sätze habe ich mir aufgeschrieben ... Und dann bummeln wir weiter in Richtung Bahnhof, denn von dort aus ist es nicht mehr weit bis zu dem kleinen Strand. Nein, wir wollen dort nicht baden, sondern den Blick auf die Stadt genießen und noch eine Kleinigkeit essen.
Vorbei
an den schönen Häuserfronten erreichen wir die Chiesa
dell'Immacolata Concezione. Wir können uns nicht errinnern, dass wir
dort schon mal vorbeigekommen sind. Das Denkmal vor der Kirche soll
an die Gefallenen der Kriege erinnern, an denen Italien beteiligt
war.
Genau
5 Minuten später stehen wir vor dem Momument, das Guiseppe
Garribaldi darstellt. Er war ein Rebell und Freiheitskämpfer, ein
Held des Volkes, der in der Geschichte Italiens einen festen Platz
hat. Nach
ihm ist auch die Straße benannt, auf der wir gerade unterwegs sind
zum Bahnhof.
Dort möchten wir uns nochmal die schönen Gemälde
anschauen, die sich unterhalb des Bahnhofs in Mauernischen befinden.
Uns fällt auf, dass viele kleine Läden und Restaurants geschlossen sind. Es ist nun wirklich Nachsaison hier. Aber das tut der Schönheit der Stadt keinen Abbruch, so haben die Einheimischen sicher leichtes Durchkommen überall und es kehrt für eine Weile Ruhe in der Stadt ein. Man ist sozusagen „unter sich“.
Vor
uns liegt an der Viale della Vittoria der kleine Stadtstrand. Meine
Güte, ich hatte ja von den Stürmen vor unserer Reise gehört und
gelesen – aber jetzt hier am Strand die Auswirkungen zu sehen,
schmerzt mich sehr.
Der Wind und die Wellen brachten neben vielen
Holzstücken auch viel Müll mit. Plastikflaschen, Folien, Dosen,
Kanister und jede Menge Kleinkram. Mein Mann schaut mich an und errät
meine Gedanken. Im Sommer waren wir in Frankreich, ich habe dort an
74 Tagen Müll am Strand gesammelt und er sagt zu mir „Schade, wir
sind nur Stunden hier, sonst würden wir mit Müllsäcken losziehen
und anfangen, den Unrat aufzulesen, damit er mit der nächsten hohen
Flut nicht wieder zurück ins Meer kann!“ Ich nicke und stehe noch
eine Weile schweigend von dem Strand. Vor mir stecken zwei Angeln
inmitten der Steine und den Hinterlassenschaften des Sturms – fast
wie ein kleines Mahnmal zum Thema „lasst die Fische leben und
haltet die Meere sauber“.
Ich reiße mich aus den Gedanken los und sind jetzt wir an der runden Plattform angekommen, die „Tonda“ heißt.
Wie unserer Spaziergang weiter ging, erzähle ich im nächsten Teil.
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